Ist so kalt der Winter - Nordsee-Krimi by Nina Ohlandt

Ist so kalt der Winter - Nordsee-Krimi by Nina Ohlandt

Autor:Nina Ohlandt [Ohlandt, Nina]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-07T22:00:00+00:00


Heiligabend

Die Person in dem Ölzeug beobachtete bereits seit einer halben Stunde die Bewohner des Friesenhauses. Es war erschreckend, wie nahe das Fernglas sie heranholen konnte. Der Typ mit dem Dreitagebart, der mit dem Rücken zum Fenster saß, schrieb eine E-Mail, die sie durchaus hätte lesen können, wenn sie sich darauf konzentriert oder daran Interesse gehabt hätte. Der alte Mann mit der weißen Mähne hatte sich heute Morgen beim Rasieren geschnitten; er schmückte jetzt heimlich den Baum mit silbernem Lametta, das sich ganz fürchterlich mit den übrigen Farben biss.

Die Person in dem Ölzeug wusste sogar, was es an Heiligabend zu essen geben sollte – offenbar eine Kartoffelsuppe mit Gemüse, denn die beiden jüngeren Männer waren dazu verdonnert worden, an dem großen Tisch, der förmlich dazu einlud, eine fröhliche Weihnachtsgesellschaft zu beherbergen, die Zutaten dafür zu schneiden. An zwei, drei Stellen standen mit Tannenzweigen geschmückte Weihnachtsteller mit Plätzchen. Kerzen waren überall im Zimmer verteilt, und der Baum im Hintergrund schimmerte verheißungsvoll in Gold, Rot und Blau. Mit den echten roten und honigfarbenen Bienenwachskerzen musste er wunderschön aussehen, wenn sich am Abend die vielen Flammen im Glas des großen Bücherschranks spiegeln würden.

Ein Weihnachten wie im Bilderbuch auf dieser schönen Insel! Die Person mit dem Fernglas lächelte hasserfüllt. Die Suppe würde sie ihnen versalzen, es würde ein Weihnachten werden, das zumindest ein Bewohner dieses Hauses nie vergessen würde. Allerdings musste sie vorsichtig vorgehen, Bitterkeit und Hass waren keine guten Ratgeber.

Sie musste ihren Plan noch einmal überdenken.

Thyra stand mit grimmigem Blick inmitten der Bahnhofshalle, umgeben von einem kleinen Trolley, einer Reisetasche und fünf Tüten, die sich wie kleine Hunde um ihre in Pumps steckenden Füße drängten. Das blonde, in Wellen gelegte Haar roch noch nach Friseur, die scharfen blauen Augen musterten jeden, der durch die Türen die Halle betrat.

Als sie John erspähte, wurde ihr Blick etwas milder. „Na endlich! Du bist zehn Minuten zu spät, mein Lieber! Meine Füße sind mir bereits abgefroren. In dem elenden Zug war es untenrum schweinekalt!“

„Das sind doch wohl hoffentlich nicht die einzigen Schuhe, die du mitgenommen hast!“, fragte John entsetzt, während er seine Vorgesetzte, Oberstaatsanwältin Thyra Kortum, die in ein, zwei Jahren in den Ruhestand gehen würde, umarmte. „Und lange Hosen hast du hoffentlich auch mit? Wir sind auf einer Insel, Thyra, und es ist Winter! Kalt, verstehst du, Sturm, Böen, eisige Winde!“

„Ihr wollt doch wohl keinen Spaziergang mit mir machen“, sagte Thyra argwöhnisch, während sich John mit ihrem Gepäck belud und sich fragte, wie sie das alles vom Auto in den Zug geschafft hatte. „Du weißt doch, dass mein Herz nicht ganz okay ist, mien Jung!“

Alles, was John wusste, war, dass Thyra ihr Herz immer dann anführte, wenn sie etwas tun sollte, was sie nicht wollte. „Ein bisschen Durchlüften am Strand wird dir nichts schaden, und zur Not haben wir auch noch Gummistiefel und eine Hose für dich“, sagte er fröhlich, doch Thyra tat, als hätte sie nichts gehört. Dafür stellte sie fest, dass draußen, auf dem Bahnhofsplatz, kein Weihnachtsmarkt war. „Wo ist der hin? Ich wollte doch noch was kaufen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.